sorgerecht

Sorgerecht und Wechselmodell

In vielen Trennungsfamilien betreuen die Väter die Kinder nach der Trennung in einem Umfang, der weit über dem üblichen Rahmen eines gewöhnlichen Umgangsrechts liegt. Häufig finden sich Regelungen, dass die Mutter die Kinder 8 Tage und der Vater 6 Tage innerhalb von 14 Tagen betreut.  Das Betreuungsverhältnis liegt in einem solchen Fall bei 58 % – 42 %. Nach der BGH-Entscheidung vom 01. Februar 2017 (Beschluss vom 01.02.2017, – XII ZB 601/15) fragen sich jedoch nun viele Väter, ob sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Aussichten auf Erfolg vor dem Familiengericht haben werden, ein paritätisches Wechselmodell auch gegen den Willen der Kindsmutter durchzusetzen. OLG Stuttgart  (Beschluss vom 23.08.2017 – 18 UF 104/17) ordnete nun  in einem Beschluss vom 23.08.2017 zu Gunsten eines Vaters das paritätische Wechselmodell an und erweiterte damit den Betreuungsumfang des betreuenden Vaters von 42% auf 50 %, wohlgemerkt handelt es sich hierbei um die Erweiterung der Betreuung um einen Tag.

Voraussetzung für die Anordnung eines Wechselmodells ist, dass die geteilte Betreuung durch beide Elternteile im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.

Anerkannte Kriterien des Kindeswohls sind:

  • Erziehungseignung der Eltern
  • der Bindungen des Kindes
  • der Prinzipien der Förderung und der Kontinuität
  • Beachtung des Kindeswillens
  • Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern

Das zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung

Das Gericht stellte in dem zu entscheidenden Fall fest, dass die bisherige  funktionierende Umgangsregelung  gut funktionierte und störungsfrei lief.

Ferner hatte die Kinder eine enge und tragfähige emotionale Bindung zu beiden Elternteilen.

Beide Eltern waren auch uneingeschränkt erziehungsfähig.

Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen der Eltern sah das Gericht vorliegend auch als unschädlich an. Es argumentierte: “ (…) denn Kinder sind schon früh in der Lage, solche Unterschiede zu „ertragen“, sie zur Erweiterung ihrer eigenen Erfahrungen nutzbar zu machen und als selbstverständlichen Ausdruck der unterschiedlichen Persönlichkeiten von Vater und Mutter zu begreifen (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 17.12.2015, Az.: 2 UF 106/14).“

Ferner stellte das Gericht fest, dass die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells nur eine relativ geringfügige Ausdehnung des Betreuungsanteils des Vaters von 42 Prozent auf 50 Prozent mit sich bringen würde und wertete dies zugunsten des Vaters. Schädliche Auswirkungen auf die Freizeitaktivitäten der Kinder waren nicht zu erwarten, da sich der Vater auch bereit erklärte, diese Aktivitäten zu fördern und die Kinder  zu den Freizeitaktivitäten wie Breakdance, Flöten etc. zu bringen.

Die räumliche Distanz der Elternhaushalte waren kein Hindernis, da diese nah beieinander wohnten.

Die Kinder befürworteten zudem das Wechselmodell, so dass das Gericht den Willen der Kinder in Anbetracht ihres Alters von fast 9 Jahren als beachtenswert empfanden.

Die für die Anordnung eines Wechselmodells unerlässliche Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern konnte das OLG ebenfalls feststellen.

Hierzu stellte der Senat in seiner Begründung fest: „Die Eltern habe sich ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe auf einen Ferienumgang sowie auf das praktizierte ausgedehnte Umgangsrecht des Vaters außerhalb der Schulferien verständigt, das seit Ende des Jahres 2013 weitgehend störungsfrei auch umgesetzt wurde. Dies wäre nicht möglich, wenn die Eltern außerstande wären, sich bezüglich organisatorischer, die Kinder betreffender Fragen zu besprechen, zumal das bisherige Umgangsmodell mit der wöchentlichen Betreuung der Kinder am Dienstagnachmittag durch den Vater wegen der häufigeren Übergaben sogar noch mehr Kooperationsbedarf und Notwendigkeit zu Absprachen mit sich bringt als das erstinstanzlich angeordnete paritätische Wechselmodell.

Die Einholung eines Gutachtens lehnte das Gericht ab:

„Die Entscheidung des Beschwerdegerichts konnte ohne die vorherige Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens ergehen. Der Sachverhalt, insbesondere auch die Qualität der Bindungen der Kinder an die Eltern, ist hinreichend aufgeklärt. Da die Anordnung eines Wechselmodells im vorliegenden Fall zu einer relativ geringfügigen Ausweitung des Betreuungsanteils des Vaters um lediglich 8 Prozent im Vergleich zu dem bisherigen Umgangsmodell und damit zu keiner wesentlichen Veränderung der Betreuungszeiten führt, würde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zudem zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Beteiligten, insbesondere auch der Kinder, führen, was mit dem Kindeswohl nicht vereinbar wäre.“

Das ist deshalb begrüßenswert, weil ein familienpschologisches Gutachten durchaus Kosten bis zu 5.000,00 € auslösen kann. Insofern mag die Aussicht, nicht die Kosten eines Gutachtes tragen zu müssen, manche Väter motivieren, die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells zu beantragen.

Lesen Sie auch meinen Artikel  über eine Entscheidung des OLG Brandenburg, das ebenfalls die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern prüfen musste.

Meine Ausführungen zu der BGH – Entscheidung zum Wechselmodell finden Sie hier.

Wenn Sie einen Blick auf die Umsetzung des Wechselmodells bei unseren europäischen Nachbarn werfen wollen, dann empfehle ich Ihnen meinen Artikel „Das Wechselmodell in Deutschland und der Blick auf Europa.“

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RA Jens Christian Göke, LL.M

Berlin, September 2017