Recht der Regenbogenfamilie

Die gesellschaftliche Realität des familiären Zusammenlebens hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Nicht nur normalisiert sich zunehmend das Konstrukt der „Patchworkfamilie“, sondern auch sogenannte „Regenbogenfamilie“ gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Darunter versteht man Familien, in denen die Eltern gleichgeschlechtlich lieben oder mindestens ein Elternteil trans- bzw. intergeschlechtlich lebt. Regenbogenfamilien werfen hierbei zahlreiche rechtliche Fragen mit Präzedenzcharakter auf, zu denen es teils noch keine Regelungen gibt und an vergleichbaren Fällen sowie Rechtsprechung mangelt. Sollten Sie mit „regenbogenrechtlichen“ Problemen in Berührung kommen, ist es bei der noch in großen Teilen unklaren und stark dynamischen Rechtslage unabdinglich, anwaltlich gut beraten bzw. vertreten zu sein. Vereinbaren Sie bei Bedarf daher gerne einen Termin mit mir telefonisch unter 030 / 29 77 35 74 2 oder per Mail unter info@kanzlei-goeke.de !

Wie kann die abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zu zwei Müttern erfolgen?

Lesbischen Paaren begegnen bei der Realisierung eines gemeinsamen Kinderwunsches in Deutschland wenig Hürden. So besteht auch in der Regel kein Anlass, einen Umweg über das Ausland einzuschlagen. Problematisch ist einzig eine ärztlich assistierte künstliche Befruchtung – diese ist zwar rechtlich nicht verboten, aber war zwischenzeitlich im Rahmen einer (zwar grundsätzlich nicht verbindlichen) Richtlinie der Bundesärztekammer in einem Kommentar für unzulässig erklärt worden. Obgleich die Richtlinie mittlerweile für gegenstandslos erklärt worden ist, besteht innerhalb der Ärzteschaft nach wie vor Zurückhaltung hinsichtlich der Durchführung einer künstlichen Befruchtung bei lesbischen Paaren. Es besteht keine rechtliche Verpflichtung für Ärzte, die künstliche Befruchtung durchzuführen, sodass die betroffenen Frauen keinen einklagbaren Anspruch hierauf haben. Insofern kann auf das Ausland ausgewichen werden oder aber in Deutschland eine künstliche Befruchtung privat unter Verwendung einer Becherspende eines dem betroffenen Paar bekannten Mannes vorgenommen werden.

Die Frau, die das Kind schließlich austrägt, ist automatisch mit der Geburt dessen Mutter (§ 1591 BGB). Der anderen Wunschmutter wird das Kind indes nicht unmittelbar mit der Geburt zugeordnet (BGH FamRZ 2018, 1919) – dies ist nach § 1592 BGB nur für einen Mann als Vater möglich. Hier kann jedoch eine Änderung der Rechtslage durch die Ampel-Koalition erwartet werden, sodass für das in die Ehe zweier Frauen geborene Kind automatisch beide als rechtliche Mutter gelten. Nach der aktuell geltenden Rechtslage muss die zweite Wunschmutter mittels einer Stiefkindadoption verfahren, um eine rechtliche Zuordnung zum Kind zu erlangen.

In Fällen mit Auslandsbezug ist eine Unterscheidung geboten.

Wenn eine ausländische Entscheidung über die abstammungsrechtliche Zuordnung zu beiden Müttern vorliegt, wird diese nach § 108 Abs. 1 FamFG anerkannt. Hierbei ergeben sich keine entgegenstehenden Bedenken, da nach Rechtsprechung des BGH sogar eine kraft Gesetzes zugewiesene Elternstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerinnen zulässig ist (BGH NZFam 2016, 652, 656). Die Anerkennung eine Entscheidung mit dem Inhalt, dass beide Partnerinnen rechtliche Mütter eines Kindes sind, ist so mit dem nationalen ordre public konform. Dieser wiederum ist strenger als der internationale ordre public; letzterer kann der Anerkennung also nicht mehr entgegenstehen.

Wenn keine ausländische Entscheidung über die Elternschaft der Co-Mutter vorliegt, ist zu klären, nach welchem Recht die Zuordnung zu erfolgen hat.

Deutsches Recht ist anwendbar, wenn beide Partnerinnen in Deutschland leben und nur die künstliche Befruchtung im Ausland vorgenommen wurde. Nach deutschem Recht ist die abstammungsrechtliche Zuordnung der (Ehe-)Partnerin der biologischen Mutter grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn die (Ehe-)Partnerin ihre Eizelle zur Verfügung gestellt hat und somit genetische Mutter des Kindes ist (OLG Köln, BeckRS 2015, 14263). Es ist also eine Stiefkindadoption erforderlich.

Zu einer Anwendbarkeit von ausländischem Recht gelangt man etwa dann, wenn beide Partnerinnen Staatsangehörige eines anderen Staates sind. Sollte sich nach dem entsprechenden ausländischen Recht eine Zuordnung des Kindes zu beiden Frauen ergeben, gilt zu klären, ob die Zuordnung in Deutschland unter Berücksichtigung des nationalen ordre public (Art. 6 EGBGB) anerkannt wird. Hier kann sich darauf berufen werden, dass der BGH eine kraft Gesetzes zugewiesene Elternstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerinnen für vereinbar mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts erklärt hat (BGH NZFam 2016, 652, 656).

Ist die Co-Mutter einer Regenbogenfamilie unterhaltspflichtig?

Nach einer erfolgreichen Stiefkindadoption ist die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter dem Kind als „Co-Mutter“ rechtlich zugeordnet. Danach ist sie dem Kind unterhaltspflichtig.

Was ist aber, wenn die Frauen sich trennen, bevor es zu einer Stiefkindadoption kommen kann? Eine ausdrückliche Unterhaltspflicht der Co-Mutter ist im BGB zwar nicht vorgesehen, allerdings hat der BGH im Jahr 2015 entschieden, dass ein nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Partner dem Kind Unterhalt zu zahlen hat, wenn das Kind mit seiner Einwilligung mit Fremdsamen gezeugt worden ist (BGH, Urteil vom 23.9.2015 – XII ZR 99/14). Dies stützt die Annahme einer Unterhaltspflicht der Co-Mutter nach § 1600 Abs. 5 BGB, denn auch bei Frauenpaaren erteilt die Partnerin der Geburtsmutter die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung mit der Intention, für das entstehende Kind eine Elternposition einzunehmen und rechtliche Verpflichtungen zu übernehmen.

Allerdings ist zu beachten, dass ein Unterschied zu der vom BGH entschiedenen Konstellation darin besteht, dass die Co-Mutter nicht durch Anerkennung der Elternschaft, sondern durch die Stiefkindadoption in rechtlicher Hinsicht zum zweiten Elternteil des Kindes wird. Ob dies als wesentlicher Unterschied erachtet wird, der dazu führt, dass keine Unterhaltspflicht der Co-Mutter besteht, kann mit der aktuellen Rechtsprechung nicht sicher gesagt werden. Es liegt jedoch Nahe, dass der Unterschied NICHT wesentlich ist mit der Folge, dass auch die Co-Mutter wie ein rechtlicher Elternteil für den Kindesunterhalt einzustehen hat. Im Umkehrschluss müsste die dann aber auch verlangen können, dass ihr die leibliche Mutter dasselbe Umgangsrecht zugesteht wie einer rechtlichen Mutter.

Ist der Samenspender einer Regenbogenfamilie unterhaltspflichtig?

„Nach der Konzeption der Samenspende hat der Spender im Grunde keine rechtliche Beziehung zum Kind. Ihn trifft also keine Unterhaltspflicht.

Dies ändert sich jedoch dann, wenn der Samenspender rechtlich zum Vater wird.

Eine rechtliche Vaterposition nimmt der Samenspender einerseits ein, wenn er die Vaterschaft anerkennt – dies muss er jedoch nicht tun.

Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die Mutter oder das Kind ab dem 14. Lebensjahr die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft beantragen und der Samenspender so in eine rechtliche Position eintritt. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur bei einer Becherspende und entfällt wenn bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Partnerin der Mutter mittels einer Stiefkindadoption zweiter rechtlicher Elternteil des Kindes geworden ist. Auch kann die Adoption nicht mehr nachträglich aufgehoben werden, wenn einst beide Mütter und der Samenspender zugestimmt hatten, vgl. §§ 1759ff. BGB. Das Familiengericht kann überdies nicht die rechtliche Elternposition eines dritten Elternteils nicht feststellen – ein Kind kann nach der deutschen Rechtsordnung (aktuell) nur zwei Eltern haben (BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003, 1 BvR 1493/96. Rn. 62f.).

Wie kann der Samenspender sich dennoch absichern? Zum einen besteht die Möglichkeit, dass schon während der Schwangerschaft notariell beglaubigt in die Stiefkindadoption eingewilligt wird. Auch kann der Samenspender die Frauen darum bitten, dass sie sich mittels einer Elternschaftsvereinbarung dazu verpflichten, den Samenspender von etwaigen Unterhaltsansprüchen freizustellen. In der Vereinbarung verpflichtet sich die Partnerin der Geburtsmutter vertraglich dazu, sämtliche Unterhaltsansprüche der Geburtsmutter und des Kindes, die gegen den Samenspender entstehen könnten, zu übernehmen.

Anders hingegen bei einer ärztlich attestierten Samenspende.

§ 1600 d BGB sieht nämlich eine Speerwirkung vor: „ Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden. „

Die gerichtliche Feststellung ist in diesem Fall nicht möglich. Rechtlich anerkannter Vater kann der Samenspender nur dann werden, wenn er freiwillig das Kind beim Jugendamt oder vor einem Notar anerkennt und die Kindsmutter dieser Anerkennung zustimmt. Ohne diese einvernehmliche Anerkennung bleibt der Samenspender frei von Unterhaltsansprüchen und das Kind wird auch nicht sein Erbe für den Fall seines Todes.“

Wir sind als gleichgeschlechtliches Paar zur Zeugung eines Kindes auf das Ausland ausgewichen – wie erfolgt nun die abstammungsrechtliche Zuordnung?

Die Zeugung eines gemeinsamen Kindes von gleichgeschlechtlichen Paaren ist in Deutschland nicht ganz einfach – eine künstliche Befruchtung ist nicht ohne weiteres möglich und Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Viele Paare nehmen daher Angebote im Ausland wahr. Dies führt dann zu dem „Folgeproblem“ der abstammungsrechtlichen Zuordnung. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, ob deutsches Recht oder ausländisches Recht zur Anwendung kommt.

Im Falle der Anwendbarkeit deutschen Rechts stößt man auf die Hürde, gleichgeschlechtliche Eltern den binären Kategorien von „Mutter und Vater“ des relevanten deutsches Gesetzestexts – dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – zuzuordnen (hierzu unten mehr).

Sollte ausländisches Recht zur Anwendung kommen, ist ausschlaggebend, ob Deutschland die Zuordnung nach ausländischem Recht akzeptiert. Dies wird dann kompliziert, wenn diese Zuordnung von der nach deutschem Recht abweicht.

Für die Situation, in der die Zuordnung auf einer ausländischen Entscheidung beruht, wird diese nach § 108 I FamFG anerkannt. Die Anerkennung kann jedoch ausgeschlossen sein, etwa wenn sie nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG mit tragenden Wertvorstellungen der deutschen Rechtsordnung (ordre public) unvereinbar ist.

Sollte keine anerkennungsfähige Entscheidung vorliegen, stellt sich die Frage, nach welcher Rechtsordnung die abstammungsrechtliche Zuordnung zu erfolgen hat. Dies wird nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB häufig zu einer Anwendung deutschen Rechts führen. Sollte dies nicht der Fall sein und ausländisches Recht zur Anwendung kommen, besteht wieder die Möglichkeit, dass die Anerkennung der danach erfolgenden Zuordnung in Deutschland ausgeschlossen ist.

News

News-Archiv