An der positiv festzustellenden Kindeswohldienlichkeit im Sinne von § 1685 II BGB kann es trotz des Bestehens einer tragfähigen Bindung fehlen, wenn der leibliche Elternteil den Umgang vehement verweigert und das Kind hierdurch einem solchen Loyalitätskonflikt ausgesetzt ist, dass auch begleitete Umgänge nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Kindes durchgeführt werden können.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.6.2022 – 18 UF 22/22, BeckRS 2022, 15063
Zwei Frauen lebten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Sie beschlossen gemeinsam Eltern zu werden. Die Antragsgegnerin bekam nach einer künstlichen Befruchtung zwei Kinder. Eine Stiefkindadoption erfolgte jedoch nicht, so dass die Antragstellerin eben nicht als ein rechtliches Elternteil anerkannt war. Für die Bindungen des Kindes mag dieser Umstand vor der Trennung egal sein, die Folgen bei einer Trennung sind jedoch erheblich. Nach einer Stiefkindadoption wird nicht in Frage gestellt, dass grundsätzlich Umgang mit dem Kind stattfindet, es sei denn, das Wohl des Kindes verlangt eine Einschränkung des Umgangsrechts. Vereinfacht gesagt, muss hier das Kind “nachweisen”, dass der uneingeschränkte Umgang ihm schadet. Anders hingegen, wenn eine Trennung vor der Stiefkindadoption erfolgt: Hier muss der Elternteil, der den Umgang wünscht, “beweisen”, dass der Umgang dem Wohl des Kindes förderlich ist. Der Umgang muss also einen Mehrwert für das Kind bedeuten. Selbst wenn der alltägliche Umgang vor der Trennung intensiv und eng gewesen war, muss der Elternteil ohne Stiefkindadoption nachweisen, dass das Kind durch den Umgang mit ihm gefördert wird, während bei gleichem Sachverhalt nach einer Stiefkindadoption der Elternteil lediglich darlegen muss, rechtlich anerkannt zu sein.
Doch wie kommt eine soziale Mutter vor einer Stiefkindadoption zu einem Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind nach einer Trennung?
Hier klärt OLG Braunschweig auf (NJW-RR_2021,135): “Grundsätzlich sei Umgang dem Kindeswohl dienlich, wenn ein enges Vertrauensverhältnis zwischen der Bezugsperson und dem Kind bestehe, welches es aufrecht zu erhalten gelte, das Kind dem Umgang nicht verweigere, seine Alltagsgestaltung weiteren Umgang zulasse und schließlich keine, das Kind beeinträchtigenden Konflikte zwischen der zum Umgang verpflichteten und der Umgang begehrenden Person bestünden”
Und gerade das letzte Kriterium, die Konfliktintensität unter den sich trennenden Eltern, ist häufig ein Hindernis. Ist der Konflikt unter den sich trennenden Müttern so intensiv, dass das Kind durch den Umgang stets in diesen Konflikt einbezogen wird und somit in einen erheblichen Loyalitätskonflikt gedrängt wird, kann ein Umgang aufgrund dieser Auswirkungen auf das Kind als nicht dem Wohl des Kindes dienlich abgelehnt werden.
Der Gesetzgeber hat mit §§ 1684 II, III 2, 1685 III BGB zwar eine Regelung geschaffen, um Eltern zu einem Wohlverhalten zu verpflichten. Nur hilft dieser Appell an die Vernunft im Konflikt selten. Diese Pflicht, sich loyal zum anderen Elternteil zu verhalten, reicht der Rechtsprechung nicht als Grundlage aus, um im Zweifel auch Elterngesprächen oder Kursen wie „Kinder im Blick“ verpflichtend anzuordnen (vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2020, 1159) Dabei mag es häufig gute Gründe geben, dies zu tun, damit die Eltern lernen besser ihre Paarebene von der Elternebene zu trennen.
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