In dem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um eine im Jahr 1984 geborene Antragstellerin, die von ihrer leiblichen Mutter (Antragsgegnerin) Auskunft über die Person des leiblichen Vaters verlangte. Die bei der Geburt 16 Jahre alte Antragsgegnerin hatte die Schwangerschaft erst im siebten Monat bemerkt und daraufhin die siebte Klasse in der Hauptschule ohne Schulabschluss verlassen. Die Antragstellerin wurde schließlich von einem Ehepaar adoptiert. Nachdem ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren und ein außergerichtlicher Vaterschaftstest erfolglos blieben, kam es 2003 unter Vermittlung des Jugendamts zu einem Treffen zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin, bei dem die Antragstellerin ihre leibliche Mutter erfolglos zur Mitteilung des Namens und der Anschrift ihres leiblichen Vaters aufforderte. Diese Auskunft begehrte sie nun im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens.

Auskunftspflicht der leiblichen Mutter über den leiblichen Vater auch nach der Adoption

Der Antrag wurde zunächst zurückgewiesen unter dem Verweis darauf, dass der Antragsgegnerin die Erteilung der Auskunft unmöglich sei. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht infolge der Beschwerde der Antragstellerin abgeändert und die Antragsgegnerin antragsgemäß dazu verpflichtet, der Antragstellerin alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu benennen, die der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Anspruch der Antragstellerin wurzelte nach Ansicht des BGH in § 1618a BGB, der gegenseitige Rücksichts- und Beistandspflicht von Eltern und Kindern untereinander normiert. Weiter folge aus dem allgemeinen Persönlichkeitsecht eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, bei der rechtlichen Ausgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor einer potentiellen Vorenthaltung abstammungsbezogener Informationen Rechnung zu tragen – dies sei bei der Auslegung des § 1618a zu berücksichtigen. Mit dem Auskunftsanspruch gehe es nicht um finanzielle Interessen, sondern aufgrund des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung um eine Rechtsposition von erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung.

Diesem Anspruch steht nach den Ausführungen des BGH auch nicht entgegen, dass das Eltern-Kind-Verhältnis aufgrund der Adoption nach § 1755 Abs. 1 S. 1 erloschen ist, da das sog. Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter bereits vor der Adoption entstanden sei. Eine andere Ansicht sei hier nicht vertretbar, da dies zu einer Schlechterstellung adoptierter Kinder gegenüber Kindern, deren rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis zu ihrer leiblichen Mutter fortbesteht, führen würde. Auch in Abwägung mit dem Recht der leiblichen Mutter auf Achtung ihrer Privat- und Intimsphäre könne der Anspruch der Antragstellerin nicht verneint werden.

Weiter könne allein die Mitteilung der Antragsgegnerin, sie könne sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern, den Anspruch nicht erfüllen. Dass ihr die Einholung ihr zumutbarer Erkundigungen unmöglich sei, wurde nicht dargelegt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2022 – XII ZB 183/21

Mit freundlichen Grüßen

RA Jens Christian Göke, LL.M.