Wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern über die Aufgabe eines Wechselmodells streiten, fragt sich der Jurist, ob dieser Streit ein Streit über das Sorgerecht oder über das Umgangsrecht ist.
Hinsichtlich dieser Frage hat nun das Kammergericht Berlin eine interessante Entscheidung getroffen. (KG Beschl. v. 21.12.2022 – 3 UF 87/21)
Nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darf die elterliche Sorge nur dann einem Elternteil allein zugewiesen werden, wenn die Voraussetzungen der Ausübung der gemeinsamen Sorge fehlen. Die Alleinsorge ist daher anzuordnen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge aus Kindeswohlgründen ausscheidet, also dem Kindeswohl widerspricht. Dies ist dann der Fall , wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Notwendig ist hierfür die Einschätzung im Einzelfall, ob der Elternkonflikt so nachhaltig und so tiefgreifend ist, dass gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Entscheidungen der Eltern in den wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge auch für die Zukunft nicht gewährleistet sind (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016, – XII ZB 419/15, NJW 2016, 2497 ).
Gemessen an diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen bei einem Streit über die Aufhebung des Wechselmodells nicht vor. Eine Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts hätte nämlich keine Auswirkungen auf diese Betreuungszeiten eines Wechselmodells und auch ansonsten keine positiven Auswirkungen auf das Kindeswohl. Denn die von einem Elternteil angestrebte Änderung der paritätischen Betreuungszeiten des Kindes kann sie nicht mit der Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts erreichen, sondern nur durch eine Abänderung der Umgangsvereinbarung in einem umgangsrechtlichen Verfahren (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19. Februar 2021, – 21 UF 32/21, bestätigt von BGH, Beschluss vom 19. Januar 2022, – XII ZA 12/21, NJW 2022,1533; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Dezember 2022, – 6 UF 208/22).
Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände. Während im Sorgerechtsverfahren die Frage der Rechtszuständigkeit der Eltern für die elterliche Sorge oder Teile davon in Rede steht, betrifft die Umgangsregelung die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und schränkt insoweit die Befugnisse des Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen (BGH, Beschluss vom 27. November 2019, – XII ZB 512/18, NJW 2020, 1067 m.w.N). Sorge- und Umgangsrechtliche Verfahren unterliegen dementsprechend verfahrensrechtlich der eigenständigen Behandlung. Insbesondere enthält das Gesetz keine Vorgabe, in welchem Umfang ein Umgang angeordnet oder – wie hier – von den Eltern vereinbart werden kann. Daher ist es vom Gesetzeswortlaut des § 1684 BGB auch umfasst, durch Festlegung oder Vereinbarung der Umgangszeiten beider Eltern die Betreuung des Kindes anderweitig oder hälftig aufzuteilen (Senat, Beschluss vom 18. Mai 2018, – 3 UF 4/18)
Fazit: Sofern das Verfahrensziel die Änderung der Betreuungszeiten ist, sollten betroffene Eltern hier in Berlin ein Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts beantragen und nicht einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stellen. Letzteres befürwortet jedoch der 2. Senat des OLG Frankfurt. Insofern sollte man sich stets nach der Rechtsauffassung des zuständigen Oberlandesgerichts orientieren, bevor man Zeit und Geld in erfolglose Gerichtsverfahren investiert. Gerne können Sie mit mir einen Beratungstermin vereinbaren. Einzelheiten zur Kontaktaufnahme finden Sie hier unter Kontakt!