Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind.

So urteilte das OLG Dresden, 21- Familiensenat in einem Beschluss vom 12.04.2022 (21 UF 304/21). Es legte dabei folgenden von der Rechtsprechung des BGH anerkannten Masstab an:

„Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden (vgl. BGH, FamRZ 2020, 257, FamRZ 2017, 532,535).“
Diese Kriterien sind

  • Qualität der Bindungen des Kindes zu jedem Elternteil haben,
  • Grundsatz der Förderfähigkeit Erziehungseignung).
  • Grundsatz der Kontinuität
  • Kindeswille.

Der Senat betont, dass diese Aspekte nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander stehen. Jeder Gesichtspunkt könne von unterschiedlicher Bedeutung im Einzelfall sein, so dass eine „abwägende Entscheidung“ zu treffen sei.
Dabei ist die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern aber nur ein Abwägungsgesichtspunkt, der im Einzelfall zurücktreten kann. Auch bei hochkonfliktbehafteten Eltern kann das Wechselmodell dem Kindeswohl entsprechen, und zwar dann, wenn zu erwarten ist, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht verstärkt, darüber hinaus die Belastung sogar vermindert (vgl. Wache, Anm. zu OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2019 – 7 UF 226/18-, NZFam 2019, 574; Salzgeber, NZFam 2014, 921, 929).

Insoweit sind die Vorgaben des BGH zur gerichtlichen Anordnung eines Wechselmodells nicht wie Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, sondern es sind die in Betracht kommenden Betreuungsalternativen zu untersuchen und die jeweiligen Vor- und Nachteile für das betroffene Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2019, 979,980; KG, FamRZ 2018, 1324,1326; Hammer, FamRZ 2015,1433,1442)

Insofern lenkt die Entscheidung den Focus weg von der Fixierung auf die Konfliktdynamik der Eltern untereinander, hin zu einer umfassenden Gesamtschau auf die konkurrierenden Betreuungsmodelle unter Abwägung der Vor- und Nachteile für das betroffende Kind und seine Eltern.

OLG Dresden, 21- Familiensenat in einem Beschluss vom 12.04.2022 (21 UF 304/21).

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