Besteht selbst bei Kontaktabbruch die Pflicht der Kinder für die Heimkosten ihrer Eltern aufzukommen?
Nach der mündlichen Verhandlung des BGH am 15.01.2014 über die bereits berichtet wurde, steht nun das Urteil des BGH fest.

Folgender Sachverhalt liegt der Ausgangsfrage zugrunde:
Die Stadt Bremen verlangt rund 9.000 Euro von einem mittlerweile selbst pensionierten Beamten für die angefallenen Heimkosten seines verstorbenen Vaters. Die Scheidung der Eltern erfolgte im Jahr 1971, danach bestand abgesehen von ein paar Postkarten kein Kontakt mehr zwischen Vater und Sohn. Auch in seinem Testament hielt der Vater, welcher mit 85 Jahren ins Heim gekommen ist, fest, dass seinem Sohn nur der Pflichtteil vermacht werden solle. Den Rest erbte eine Bekannte von ihm. Der Sohn sieht in dem Verhalten des Vaters eine „ schwere Verfehlung“, was nach § 1611 Abs. 1 BGB dazu führen würde, dass die Unterhaltspflicht des Sohnes ausgeschlossen wird. Die Stadt Bremen hätte also keinen Anspruch auf die 9.000 Euro.

Das Amtsgericht Delmenhorst stellte sich auf die Seite der Stadt und konnte in dem Verhalten des Vaters keine „ schwere Verfehlung“ erblicken, die zum Ausschluss der Unterhaltspflicht führen würde (AG Delmenhorst Beschluss vom 27. März 2012 – 22 F 125/11 UK). Dieser wendete sich daraufhin an das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 14 UF 80/1), welches ihm Recht gab. Daraufhin wurde der BGH angerufen.

Dieser sieht sich auf Seiten des Beklagten mit dem Kontaktabbruch und der Enterbung konfrontiert. Von Seiten der Klägerin wurden dagegen die Unterhaltszahlung während der Ausbildung, die Postkarten sowie die allgemeine Situation in den 1970er Jahren angeführt. In dieser war es, laut Klägerin, schwierig für Väter nach der Scheidung noch Kontakt zu ihren Kindern zu haben, z.B. weil es die Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts nicht gab.

Nach Feststellung des Vorsitzenden Richters Hans-Joachim Dose in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2014  hat der Vater die Beziehung zum Sohn «gemieden» und «Desinteresse» gezeigt. «Er hat die familiären Bande geleugnet.»

Jedoch reicht es, laut BGH, in der vorliegenden Konstellation nicht dafür aus, dass der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt wurde. Der Kontaktabbruch des Vaters stellt zwar aufgrund der Pflicht zu Beistand und Rücksicht eine Verfehlung dar, aber keine die als besonders schwerwiegend eingeordnet wird und so zum Auschluss des Anspruches führen würde. Als Punkt hierfür wurde vom BGH angeführt, dass der Kontaktabbruch erst nach dem 18. Lebensjahr stattfand. Die Lebensphase, in welcher man regelmäßig besonders der elterlicher Fürsorge bedarf, war also abgeschlossen. Der Vater hat seinen Pflichten als Elternteil im Wesentlichen Genüge getan.

Auch die so genannte „Enterbung“ des Sohnes spielt laut BGH keine Rolle – das Schlüsselwort hierbei lautet Testierfreiheit. Jeder darf sein Testament, abgesehen vom Pflichtteilanspruch, so gestalten wie er es für richtig hält. Der Vater hat dementsprechend nur von seiner ihm zustehenden Freiheit Gebrauch gemacht und keine schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 BGB begangen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der BGH über den Unterhaltsverlust von Eltern entscheiden muss. In einem Fall musste der Sohn für die Mutter zahlen, obwohl Sie sich nicht um den Jungen gekümmert hatte, dies jedoch aufgrund einer psychischen Erkrankung (BGH Urteil 15. September 2010 Az. XII ZR 148/09). Bei einer Konstellation im Jahre 2004, in der eine Rentnerin ihre Tochter im Alter von einem Jahr bei den Großeltern zurückgelassen hat, bestätigte der BGH, dass es sich hierbei  um „ einen groben Mangel an elterlicher Verantwortung“ handeln würde. Dementsprechend entfiel der Anspruch auf Unterhalt und die Rentnerin wurde auf die Sozialhilfe verwiesen ( BGH Urteil 19. Mai 2004, Az. XII ZR 304/02).

Der allseits bekannte Spruch Eltern haften für ihre Kinder wurde hier nun wieder einmal ins Gegenteil gekehrt- Kinder haften eben auch für ihre Eltern!

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