Der BGH hat heute eine interessante Entscheidung zum Umgangsrecht biologischer Väter getroffen und erstmals die Anforderungen aus dem im Jahre 2013 vom Gesetzgeber eingefügten § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB näher konkretisiert.

Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:  Aus einer außerehelichen Beziehung einer verheirateten Frau gehen Zwillinge hervor, die nun 9 Jahre alt sind. Der Ehemann ist laut Gesetz automatisch der rechtliche Vater und nimmt auch diese Rolle gegenüber den Kindern an, die somit in einem Familienverbund mit den drei ehelichen Kindern aufwachsen. Die Kinder haben jedoch keine Kenntnis von ihrer eigentlichen Abstammung. Der biologische Vater will die Rolle des Erzeugers nicht hinnehmen und klagt vor dem Familiengericht auf Umgang. Er möchte Kontakt zu den von ihm abstammenden Kindern. Das war im Jahr 2006. Das zuständige Amtsgericht lehnte entsprechend der damaligen Gesetzeslage den Antrag auf Umgangsrecht ab. Der biologische Vater klagte sich durch die Instanzen bis der Europäische Gerichtshof ihm eine Verletzung seiner Väterrechte bescheinigte. Der deutsche Gesetzgeber sah sich daraufhin veranlasst den § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB einzufügen. Die Änderung der Gesetzeslage änderte jedoch nichts an der Haltung der rechtlichen Eltern der Zwillinge. Sie lehnten weiterhin einen Kontakt der Kinder zu ihrem biologischen Vater ab. Sie befürchteten, erhebliche psychische Auswirkungen auf die Kinder, sofern der biologische Vater Kontakt zu ihnen pflegen würde.

Nun musste sich der BGH mit dem Fall befassen und sich mit der Frage beschäftigen, ob allein die beharrliche Weigerung, einen Umgang des Kindes mit seinem leiblichen Vater zuzulassen, genügt, um einen Antrag auf Umgangsrecht zurückzuweisen. Der BGH stellte hierzu nun fest:

„Ist einziger Grund für das Scheitern des Umgangs die ablehnende Haltung der rechtlichen Eltern und die damit einhergehende Befürchtung, dass diese mit einer Umgangsregelung psychisch überfordert wären und dadurch mittelbar das Kindeswohl beeinträchtigt wäre, sind strenge Anforderungen an die entsprechenden Feststellungen zu stellen.“

Die Familiengerichte sind daher angehalten, streng die Einwendungen der rechtlichen Eltern zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Die Richter müssen demnächst den Sachverhalt dahingehend aufklären, ob tatsächlich eine das Wohl der Kinder beeinträchtigende psychische Überforderungen vorliegt oder diese Sorge vorrangig den Ängsten der Eltern entspringt.

Im Rahmen dieser Sachverhaltsermittlung sind die Gerichte auch verpflichtet, die betroffenen Kinder anzuhören. Doch wie muss ein Gericht darauf reagieren, wenn das betroffene Kind noch keine Kenntnis von seiner biologischen Abstammung hat? Hierzu äußert sich ebenfalls der Bundesgerichtshof und greift streng in das Bestimmungsrecht der Eltern ein:

„Vor einer Anhörung bzw. einer etwaigen Begutachtung ist das Kind bei entsprechender Reife grundsätzlich über seine wahre Abstammung zu unterrichten, sofern ein Umgang nicht bereits aus anderen, nicht unmittelbar das Kind betreffenden Gründen ausscheidet.“

Wenn die Eltern sich entschlossen haben, dem Kind seine Abstammung zu verheimlichen, müssen sie jetzt damit rechnen, dass ein Gericht das Kind über seine Abstammung aufklärt, um feststellen zu können, ob es mit einer gewünschten Kontaktanbahnung zum biologischen Vater überfordert sein dürfte. In Anbetracht dieser höchstpersönlichen Thematik und der hohen Arbeitsbelastung deutscher Familiengerichte bleibt abzuwarten, wie diese Vorgabe in deutschen Gerichten praktisch umgesetzt wird.

Berlin, 03.11.2016

RA Jens Christian Göke, LL.M.

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